Pestalozzi hat einmal sinngemäß formuliert – und Generationen von PädagogInnen haben es wiederholt: Erziehung ist Vorbild und Liebe.
Unter Vorbild verstand er: Den Kindern ein authentisches, lebensnahes Modell vorleben, ein Modell, an dem sich Kinder orientieren und reiben können. Eltern sind Leuchttürme, die auf der Mole des Hafens stehen und blinken, damit die Kinder um den Hafen wissen, in den sie einlaufen können, wenn die Stürme des Lebens toben.
Und Liebe, das war für ihn Selbstliebe. Oder anders formuliert: Man kann Kinder in ihrer ganzen Vielfalt nur annehmen, wenn man sich so annimmt, wie man ist – mit all seinen Stärken und mit all seiner Unvollkommenheit.
Wer mit Kindern zu tun hat, der hat es mit zwei Kindern zu tun
Dem Kind vor mir und dem Kind in mir, jenem Kind, was ich mal war und immer noch bin. Und je mehr man sich mit diesem inneren Kind auseinandergesetzt hat, je mehr man spürt, was man bekommen hat, je mehr man akzeptiert, was man nicht bekommen hat, desto mehr kann man das Kind, das vor einem steht, so begleiten, so wie es ist. Man muss nicht nach dem Motto handeln: Ich will doch nur dein Bestes! Man gibt dem Kind, was man zu leisten in der Lage ist.
Dazu bedarf es einer Haltung gegenüber den Eltern, die von Bestärkung und Begleitung getragen ist. Denn:
Eltern können Kinder nur dann annehmen, wenn sie sich selber angenommen fühlen.
Dazu gleich mehr. Nun macht in den Diskussionen der letzten Jahrzehnte ständig das Wort vom Elternführerschein die Runde.
Den Elternführerschein – so die Meinung – habe man so früh wie möglich zu machen, um spätere Erziehungsfehler zu vermeiden. Allerdings gilt in Sachen Elternbildung dasselbe wie in Sachen Erziehung: Erziehung ist nicht Vorbereitung der Kinder auf das Leben. Und Elternbildung ist nicht Vorbereitung auf eine Zukunft, die so oder so aussehen mag. Elternbildung geschieht im Hier und Jetzt.
Studien haben immer wieder gezeigt, dass Paare, solange sie kinderlos sind, sich viele Gedanken über die optimale Erziehung der geplanten Kinder machen. Nicht selten sind sie dabei getragen von der Vorstellung, Erziehung sei bis ins letzte Detail vorhersehbar und planbar. Der Alltag mit Kindern bringt dann die große Ernüchterung. Elternbildung hat Väter und Mütter aber genau in diesem Alltag zu begleiten.
Das Kind kommt auf die Welt, und aus einer Paarbeziehung wird eine Zweier-, später vielleicht auch eine Dreier-, Vierer- oder Fünferbeziehung. Im Zuge der Entwicklung ihrer Kinder sehen sich Eltern immer neuen Herausforderungen gegenüber: Schon für einen Säugling zu sorgen, kann sehr anstrengend sein. Später sorgt das Trotzalter für ersten Aufruhr. Das typische Miteinander von Anhänglichkeit und Revolte dieser Entwicklungsphase macht Eltern oft genug ratlos.
Das Kind entwickelt sich körperlich und geistig. Je besser es sprechen lernt, desto besser kann es aufbegehren, Widerworte geben. Nachts sucht es dann Schutz im elterlichen Bett. Mit dem Ende der Kindergartenzeit stehen für die Kinder neue Aufgaben an – eine Übergangszeit, die ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Und kaum sind diese bewältigt, kündigt sich die Pubertät an – das schlechthinnige “Schreckgespenst” vieler Eltern.
Diese Phase wird nicht einfacher dadurch, dass nun in der Regel auch die Eltern ihre eigenen Schwierigkeiten mit den Herausforderungen der Lebensmitte haben und sich damit auseinandersetzen müssen, nicht für immer jung zu sein. Eltern sein meint eben auch, älter zu werden.
Elternbildung hat die Aufgabe, Väter und Mütter auf diesem Weg, der gekennzeichnet ist von immer neuen Übergängen, oft auch von Sackgassen und Umwegen, zu begleiten. Sie kann ermutigen, wenn Eltern angesichts der “Mühen der Ebene” die Puste auszugehen droht. Dabei gibt sie den Weg nicht vor. Aber sie rüstet Eltern mit Kompass und Landkarte aus. Die überwiegende Mehrheit der Väter und Mütter gewinnt daraus genügend Zuversicht und Selbstvertrauen, um allein weiterzugehen.
Elternbildung nimmt die Ressourcen der Eltern in den Blick
Das, was Väter und Mütter können. Sie erhebt nicht den Zeigefinger, um auf das zu deuten, was sie nicht können und vielleicht niemals können werden.
Die Eltern sollen in ihrer Haltung – sich selbst und dem Kind gegenüber – bestärkt werden. Dankbarkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Kinder sind Geschenke. Sie haben viel zu geben. Von ihnen lernen Erwachsene Lebensfreude. Kinder halten uns auf unnachahmliche Weise einen Spiegel vor, sind oft genug Korrektiv. Manchmal allerdings stößt man beim Erziehung auch an seine eigenen Grenzen. Und das kann durchaus wehtun, vor allem, wenn man meint, bei anderen Eltern laufe alles reibungslos.
Elternbildung vermittelt den Eltern, ihre Kinder anzunehmen, wie sie sind. Sie sollte ihrerseits aber auch die Eltern annehmen, wie sie sind. Ein Eltern- oder Familienbildner, der von Eltern erwartet, dass sie Erziehung nicht als Machtausübung begreifen, sollte nicht mit erhobenem Zeigefinger als Besserwisser auftreten. Das bedeutet nicht, dass Elternbildner nicht auch konkrete Tipps geben dürfen, wenn dies gewünscht wird. Ihre Anregungen sollten aber immer in Abstimmung mit der konkreten Lebenswelt der Eltern erfolgen und auf dem Alltagswissen der Väter und Mütter aufbauen.
Wer gegen die Eltern arbeitet, dem werden sie sich nicht anvertrauen.
Eltern probieren beim Erziehen häufig etwas aus, um es anschließend wieder zu verwerfen. Zum Erziehen braucht es Kopf und Bauch, Vernunft und Gespür. Elternbildung kann helfen, die Balance zwischen beidem zu finden. Sie kann und soll Eltern außerdem dazu ermutigen, einmal anders zu reagieren und zu handeln, als die Kinder es von ihnen gewohnt sind. Dann erleben sie ihre Mütter und Väter als Lernende, die ihrerseits ihren Weg erst suchen und finden müssen. So mancher Erziehungskonflikt wird dadurch nicht schwerer, sondern leichter.
“Tu’ nicht mehr von dem, was nicht funktioniert! Mach’ was anderes!”
Eltern Mut zu geben, diese Aufforderung im Alltag umzusetzen, ist die Aufgabe einer zugewandten, ressourcenorientierten Eltern- und Familienbildung.
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