Publikation: Lindauer Zeitung
Datum: 12.04.2013
Jan-Uwe Rogge hält bei einem Vortrag Eltern den Spiegel vor Augen
Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Kinder wollen keine pädagogisch wertvollen Eltern. Was sie wollen, sind authentische Eltern, die Klartext sprechen. Sie wollen Eltern, die sich eben genau jener klaren Worte bedienen, wie sie Jan-Uwe Rogge in seinem Vortrag „Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhört und wie Sie zuhören, damit Ihr Kind redet“, gebraucht hat.
Denn um Klarheit in der Kommunikation zwischen Eltern und Kind drehte sich in dem von den Mitgliedern des landkreisweiten Arbeitskreises „Wege aus der Gewalt“ initiierten Vortrag alles. Und damit das Thema in seiner Gesamtheit dem vorwiegend weiblichem Publikum in der vollbesetzten Inselhalle auch tatsächlich verständlich wird, nahm der bekannte Buchautor und Familienberater kein Blatt vor den Mund und stellte klar, was allen Eltern bewusst sein sollte: „Du bist nicht Liebling, du bist nicht Freund, du bist, wenn du ein Kind hast, manchmal Arsch. Richtig Arsch.“
Doch diese Aussage war nicht die einzige Wirklichkeit, die Rogge den Eltern vor Augen hielt. Vielmehr bestand der ganze zweistündige Abend aus Konfliktbeispielen, wie sie vor allem Mütter tagtäglich erleben. Und worin sie sich offensichtlich wiederfanden. Denn es war nicht nur Rogges schauspielerischem Talent, oder der Auswahl seiner Beispiele zu verdanken, dass sich sein Publikum vom Anfang bis zum Ende prächtig amüsierte. Vielmehr war der Grund für die vielen Lacher schlichtweg der, dass der Familienexperte ihm einfach nur den Spiegel vorhielt. Und das wiederum hatte den Sinn klipp und klar zu verdeutlichen, wie sich Erziehungsfragen besser lösen lassen.
Denn anders als pädagogisch wertvolle Eltern ist Rogge kein „Wirromane“, der erst das Kind zutextet, bevor er auf den Punkt kommt oder um den heißen Brei herum redet, ehe er sagt, was er will. Bei ihm heißt es nicht: „Wollen wir heute zur Oma gehen? Die Oma hat dich so lieb. Du magst Oma doch auch? Du willst doch auch zu Oma?“ Er sagt vielmehr: „Ich möchte heute zur Oma und ich möchte, dass du mitkommst.“ „Sei doch mal klar und deutlich und nicht so verschroben, verschwommen“, forderte er deshalb seine Zuhörer auf und gab ihnen den Tipp, im Gespräch mit dem Kind von „ich“ und nicht von „wir“ zu sprechen. Und auf „Romane“ zu verzichten.
Dem Kind in die Augen sehen
Denn: „Kommunikation heißt nicht ununterbrochen reden.“ Hilfreich dabei ist, dem Kind in die Augen zu sehen („es reicht, wenn du schaust“) und es dabei auch mal anzufassen (aber nie, wenn man wütend ist). „Das Wort „bitte“ und auch den Satz, „muss ich jetzt mal wieder laut (oder böse) werden“, können sich Eltern sparen. „Kein Kind will, dass Eltern laut und böse werden. Sie wollen authentische Eltern, die auch meinen, was sie sagen“, betonte Rogge. Wichtig dafür, um gehört zu werden, ist zudem, dass Eltern ehrlich und aufrichtig mit ihren Kindern sprechen. Das Kind spürt sofort, wenn dies nicht der Fall ist. Denn die Gestik spielt zu 60 Prozent, der Klang der Stimme zu 33 Prozent und der Inhalt nur zu sieben Prozent eine Rolle für die Glaubhaftigkeit des Gesagten. Von großer Wichtigkeit ist außerdem die Geduld. Davon müssen Eltern am meisten in der Trotzphase und in der Pubertät ihres Kindes aufbringen. Entwicklungsphasen, die sich genauso gut auch als Nein-Phasen bezeichnen lassen.
Position vertreten
Während jedoch das „Nein“ des Trotzkindes laut Rogge keinen Widerstand sondern „lass mir Zeit, ich mach das schon““ bedeute, heiße „Nein“ bei Pubertierenden tatsächlich „nein“. „Wichtig ist, dass man dieses „nein“ nicht diskutiert“, betonte Rogge. „Du musst deine Position vertreten.“ Und dabei in Kauf nehmen, sich unbeliebt zu machen. „Wenn du geliebt werden willst, dann musst du heiraten“, meinte er zum Thema Elternliebe. Schon allein wegen des Erziehungsauftrags sei es unvermeidlich, dass Eltern auch mal „echt gemein“ seien, wenn sie ihren Pubertierenden etwas verbieten. Statt dem Sprössling mit der Mitleidstour zu kommen, sprach sich Rogge dafür aus, dazu zu stehen. Beispielsweise so: „Ja, es stimmt. Ich bin die gemeinste Mutter von Lindau und es wird Zeit, dass ich mich heute oute. Ich schreib ein Plakat. Da steht drauf: „Ich bin die gemeinste Mutter von Lindau. Mütter solidarisiert euch“, und ich stell mich vor die Inselhalle.“
Denn schließlich, so haben die aufmerksamen Zuhörer von Rogge gelernt, gehören zur richtigen Kommunikation nicht nur klare und deutliche Aussagen, Aufmerksamkeit, Respekt und Ehrlichkeit, sondern auch eine gehörige Portion Humor und Gelassenheit.