Wiebke, vier Jahre, setzt sich im Kindergarten auf den Schoß ihrer Mutter, sie weint. „Du brauchst nicht zu weinen!“ – „Aber ich will weinen. Ich bin doch traurig!“ Wiebke weint eine kurze Zeit, die Tränen kommen von ganz unten aus dem Bauch. Dann sagt sie mit einemmal: „Nun ist es gut! Du kannst gehen!“ Sie gibt ihrer Mutter einen Kuss und verschwindet mit ihren Freundinnen im Gruppenraum.
Der Kindergarten bedeutet Trennung. Für viele Kinder entstehen Ängste – allerdings Ängste, die dem Kind keinen überdauernden seelischen Schaden bringen. Es ist völlig normal, wenn sich Kinder Fragen stellen, wie: „Was passiert zu Hause, während ich hier bin?“ Oder: „Holt die Mutter mich auch pünktlich ab?“ Solche Fragen stellen sich auch Kinder, die über ein Urvertrauen verfügen und eine feste emotionale Basis in der Familie erleben. Auch sie sind traurig, wollen traurig sein, um sich in ihrer Trauer näherzukommen, um Gefühle zu durchleben, zu prüfen, ob sie aushaltbar sind.
Viele Eltern können damit nicht umgehen:
Manche schleichen sich aus dem Kindergarten fort, um die Trennungsprozedur gefühlsfrei zu gestalten. Und diese Eltern wundern sich dann wenn die Kinder im Kindergarten sie nicht weggehen lassen können. Andere zwingen Kinder zur Fröhlichkeit – „Nun lach mal, Mama kommt ja bald wieder!“. Und schließlich setzen einige Eltern Kinder unter Druck: „Hör auf, traurig zu sein!“ Oder: „Kannst du dich nicht zusammenreißen.“
Wenn Gefühle des Schmerzes und der Trauer nicht zugelassen werden, dann können die nicht ausgelebten Emotionen sich in einem Chaos ausdrücken. Manche Kinder brauchen die Trauer, brauchen Trauerrituale, um ihren Gefühlsstürmen, um den diffusen Emotionen eine Struktur zu geben. Aber oft sind es weniger die Kinder, die sich nicht trennen können – es sind die Eltern, vor allem die Mütter. Sicherlich bedeutet auch für sie der Abschied vom Kind Schmerz und Trauer.
Und die dürfen Sie als Mutter auch zeigen. Denn man kann traurig sein und dem Kind trotzdem viel Kraft auf seinen Weg mitgeben und positive Energien für eine eigenständige Entwicklung.
Jonas, knapp vier Jahre, sitzt jeden Morgen auf seinem Stuhl im Kindergarten, die Kuschelpuppe in der Hand, er lässt seinen Tränen freien Lauf. Trost nimmt er nicht an: „Lass mich, das sind Fröhlichmach-Tränen!“ Nach zwei Minuten lacht er über das ganze Gesicht und ist den gesamten Vormittag über vergnügt.