Publikation: Zevener Zeitung
Datum: 13.02.2013
Mit der Erziehung ist es so eine Sache. Kaum jemand will die eigenen Kinder so erziehen, wie es die eigenen Eltern mit ihm selbst getan haben. Modern soll die Erziehung des Nachwuchses sein, offen, und Kinder sollen Mitspracherecht haben. Doch das klappt nicht immer so, wie man es sich nach der Lektüre einschlägiger Erziehungsratgeber vorstellt.
Dass dies auch in Zeven nicht viel anders aussieht als im Rest der Republik, dürfte auch der voll besetzte Rathaussaal bewiesen haben, als Jan-Uwe Rogge, seines Zeichens Autor, Familien- und Kommunikationsberater, der Einladung der Zevener Volksbank in die Stadt am Walde gefolgt war. Der promovierte Verhaltens- und Sozialwissenschaftler ist ein gern gesehener Gast, gelten seine Vorträge doch als unterhaltsam und mit profundem Wissen gespickt. Der etwas umständliche Titel: „Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhört. Wie sie zuhören, damit Ihr Kind redet“ ließ auf einen spannenden Abend hoffen, den Rogge dann in gewohnter Manier lieferte.
Auf der Bühne des Rathaussaales lief er zu Höchstform auf, schnitt Grimassen, gestikulierte wild, parodierte bockige Kleinkinder und Pubertierende, aber auch allzu weichgespülte Eltern, die kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehen. Er plauderte aus dem Nähkästchen, erzählte von Geschehnissen mit Eltern und Kindern, die wohl so jede Mutter oder jeder Vater schon mal selbst erlebt haben dürfte. Den wichtigsten Tipp gab er gleich vorneweg: „Kinder wollen Deutlichkeit. Offene, direkte Fragen an die Kinder bringen offene Antworten.“
Die meisten Eltern versuchten es im Guten, was meist zu einem Drama in vier Akten führe: Nach dem „Bitte-Akt“, den er so vortrefflich nachahmte, dass das Publikum vor Lachen brüllte, folge schnell Akt zwei: „Muss ich das noch zweimal sagen?“ und gleich darauf der dritte Akt mit dem Klassiker: „Oder muss ich jetzt böse werden?“. Da auch das die meisten Kinder kalt lasse, folge dann in aller Regel der Schlussakt mit dem wohl bekannten „aus der Haut fahren“. „Die Kinder wissen aber ganz genau, dass die Eltern nach ein paar Minuten entschuldigend vor ihnen stehen und sie dann alles von ihnen haben können“, so Rogge weiter. Dieser Ansatz laufe also ins Leere.
Die Kommunikation sei schon immer ein Thema in der Erziehung gewesen, schon vor 200 Jahren habe Pestalozzi drei Regeln aufgestellt, die bis heute gültig seien: Eltern müssen Kinder ansehen, wenn sie mit ihnen sprechen, sie sollten das Kind anfassen, ihm Nähe geben und kurz und klar sprechen. Auch das Wort „nein“ sei für Kinder wichtig, auch wenn sie es selbst benutzen.
Wenn Kinder „nein“ sagen, heiße das meist, dass sie ein Mitspracherecht wollen. Eltern sollten ihren Nachwuchs also in kleinen Dingen einfach mal mitbestimmen lassen. „Wenn Kinder sich verstanden fühlen, dann bekommt man einen Zugang zu ihnen.“
Während der Pubertät werden Eltern von ihren „pubertierenden Kröten“, wie Rogge sie gerne bezeichnet, hingegen herausgefordert. Hier müssten Eltern hart bleiben, ein „nein“ müsse ein „nein“ bleiben auch wenn man dann als gemeinste Eltern der Welt gelte. „Erziehung hat nichts mit Punktesammeln fürs Paradies zu tun. Wenn der Pubertierende keine Lust hat, zum Essen zu kommen, dann kommt er eben ohne Lust.“ Auch diese Vorstellung amüsierte das Publikum enorm.
„Wenn ich etwas möchte, dann möchte ich es“, erklärte Jan-Uwe Rogge mit Nachdruck. Und es sei wichtig zu wissen, dass Männer und Frauen unterschiedlich miteinander reden und auch mit ihren Kindern anders kommunizieren. Wichtig sei immer, den Kindern zu vermitteln, dass man Interesse an ihrer Person habe. „Und das ist einfacher als man denkt. Von Kindern können Erwachsene lernen, dass sie nicht rumeiern, sondern klar und deutlich sind.“
Für diese deutlichen Worte schlugen Jan-Uwe Rogge Begeisterungsstürme entgegen – und viele Zuhörer fiebern nun sicher seinem nächsten Vortrag in Zeven im November entgegen. (fh)