Hallo liebe Leser,
im Mai diesen Jahres wurde der 1. Bundeskongress Elternbegleitung – organisiert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – gehalten. In meinem Vortrag auf dem Kongress habe ich dabei einige Thesen zum Thema “Was Kinder und Eltern heute brauchen” formuliert. Da diese Thesen grossen Anklang gefunden haben stelle ich sie hier für alle zur Verfügung:
Humor
- Erziehung hat mit Humor, mit Lachen zu tun. Pestalozzi hat den Satz geschrieben: “Lache dreimal am Tag mit deinem Kind.” Lache! Lache über dich. Schmunzle mit deinem Kind.
- Erziehung mit Leichtigkeit hat zu tun– und nicht mit Verbissenheit. Und auch Bildungsanstrengungen haben mit Leichtigkeit zu tun. Diese Leichtigkeit gehört zugleich in die Beratung.
- Es ist nicht einfach – aber leicht: Erziehung muss an Schwere verlieren.
Grundlagen der Erziehung
- Erziehung ist Begleitung der Kinder ins Leben. Erziehung ist nicht Vorbereitung auf das Leben. Erziehung passiert in jedem Augenblick. Für das Kind da zu sein – und auch für sich da zu sein.
- Es kommt auch in der Beratung darauf an, im Hier und Jetzt zu bleiben.
- Was ich heute erlebe, sind Eltern, die geborene Schwarzseher sind. Die Beratung von Eltern muss sich darauf konzentrieren, das aufzuheben. Das heißt, Beratung muss Eltern Mut machen, im Hier und jetzt zu bleiben, damit sie nicht ständig überlegen: Wo soll das enden?
- Ich gebe den Eltern einen Rat. Bei mir gibt es Rat, aber keinen “Ratschlag”. Ratschläge sind Schläge, deren blaue Flecke man später erkennt. Ein Rat ist, sich am Abend hinzusetzen und über den Tag nachzudenken. “Was ist mir heute gelungen? Was war gut?” Und es gibt mindestens eine Sache, die gut war. Mindestens! Darüber lohnt es sich, nachzudenken.
- Jede Mutter und jeder Vater hat das Recht auf zehn Fehler am Tag. Für den schlimmsten Fehler, den man am Tag gemacht hat, sollte man sich am Abend etwas Gutes tun.
Was Beratung leisten sollte
- Beratung sollte Eltern helfen, sich so anzunehmen, wie sie sind. Und nicht, wie sie es gerne hätten.
- Beratung muss Eltern bestärken in ihrem Wissen. Eltern wissen viel. Sie brauchen nicht den Berater, der alles weiß. Sie brauchen keinen Besserwisser. Sie brauchen den Berater, der zuhört und der auf das achtet, was diese Eltern können.
- Eltern können viel. Das zu bestärken und nicht ständig den Eltern noch ein schlechtes Gewissen zu machen, in dem was sie nicht können. Jede Mutter, jeder Vater hat Kompetenzen, und diese Kompetenzen gilt es zu bestärken.
- „Elternchance ist Kinderchance“ – das heißt für mich: „Nur wenn es mir gut geht, geht es dem Kind gut.“ Eltern sollten das eigene Wohlbefinden nicht ausschließlich über die Kinder definieren. Diesen wichtigen Gedanken tragen Kinder auch an Eltern heran. Darin kann man von Kindern lernen.
- Erziehung heißt auch: Ich bekomme etwas. Wenn man Erziehung ständig begreift als „Ich gebe etwas“, dann wird es schwierig.
Elternansprache in der Beratung
- Paul Watzlawick hat gesagt: „In der Beratung musst du Geschichten erzählen.“ Denn Geschichten und Bilder bleiben in Gedächtnis.
- Es ist eine hohe Kompetenz, in der Beratung zu erzählen. Wenn ich etwas erzähle, fangen die Eltern auch an zu erzählen. In diesen Erzählungen steckt Verbundenheit, Solidarität, steckt ein „Ich verstehe dich“ oder ein „Ich möchte dich verstehen“. Nehmen Sie diese wunderbare Kompetenz des Geschichtenerzählens in Ihre Arbeit unbedingt mit auf.
Entwicklungsberatung
- Erziehung hat nichts mit „Ziehen“ zu tun. Man schaut dem Gras beim Wachsen zu und zieht nicht am Halm, damit er schneller wächst. Das Gleiche gilt für Erziehung: Durch Ziehen beschleunigen wir das Wachsen der Kinder nicht, wir werfen sie aus der Bahn.
- Kinder wollen step-by-step begleitet sein. Auch das ist wichtig, in der Beratung Eltern zu vermitteln: Erziehung ist nicht eine stete Aufwärtsbewegung ist. Sondern Erziehung hat etwas mit Vorwärtsgehen, aber auch mit Stillstand, aber auch mit Rückschritt zu tun.
- Für mich ist Beratung Entwicklungsberatung. Das heißt: Die Eltern brauchen nicht nur Wissen über die Technik der Erziehung. Die Eltern brauchen Wissen über die Entwicklung ihres Kindes.
- Wenn Eltern wissen, dass Entwicklung ein Gemenge aus Vorwärtstreiben, Stillstand und Rückwärtsschritt ist, begreifen sie mit einem Mal ihr Kind ganz anders: Sie können sie ihr Kind (neu) verstehen. Verstehen ist eine Grundvoraussetzung, um auf das Kind zuzugehen.
- Erziehung hat zu tun mit „Haltung“ – mir selbst gegenüber und dem Kind gegenüber. Wer dankbar ist, dass er dieses Kind hat, wird auch von seinem Kind Dankbarkeit erfahren.
- Dankbar sein, heißt: respektvoll miteinander umgehen, heißt achtsam sein. Achtsam sein gegenüber den eigenen Bedürfnissen, aber auch gegenüber den Bedürfnissen der Kinder.
- Die Wirkung von Erziehung ist letztlich ergebnisunsicher. Es ist wichtig, Eltern in der Beratung zu bestärken, die Bindung zu ihrem Kind aufrecht zu erhalten – egal was passiert.
Einen Kurzbericht zu dem Kongress und weitere Informationen zu Elternbegleitern können Sie auf www.elternchance.de finden