Das Kleinkind grenzt sich von den Eltern ab, will allein sein und tun. Und es erfährt, welche Macht es über Vater und Mutter, seine unmittelbare Nahwelt hat. So ist das kleine Kind nicht nur ein lernendes Wesen, es agiert zugleich als Lehrmeister, der Einfluss auf das Alltagsgeschehen haben will. Zwar können fördernde Umweltfaktoren die Entwicklung der Kinder unterstützen und begleiten, beschleunigen können sie diese aber nicht. Kinder kommen mit einem individuellen Entwicklungstempo auf die Welt, das es unbedingt zu respektieren gilt. Verändert man dieses Tempo, werden Kinder schnell aus der Bahn geworfen.
Mit dem Laufenlernen bildet sich ein Forscherdrang aus. Das Kind ist an vielem interessiert, es will hinter die Kulissen blicken, die Welt begreifen. Damit sind zweifellos auch Gefahren verbunden. Schränkt man das Kind jedoch generell ein, greift man nachhaltig in seine Entwicklung ein, fordert Widerstand und Blockaden geradezu heraus. Gleichwohl muss man sich seiner Erziehungsverantwortung bewusst sein. Schrankenloses Gewährenlassen kann deshalb nicht die Alternative sein, auch wenn Konsequenzen häufig nicht zur Verfügung stehen. Kinder in diesem Alter können nur begrenzt aus natürlichen Folgen lernen– nicht weil sie unwillig sind. Sie können es noch nicht,weil sich logisches Denken erst später herausbildet.
Während die zweijährigen Kinder alles einfach nur haben wollen – koste es, was es wolle – haben die Drei- bis Vierjährigen schon eine andere Einstellung, in der die Anfänge einer moralischen Entwicklung zu erkennen sind. Sie sind von einem spezifischen Egozentrismus geprägt –nach dem Motto: „Ich will es haben! Bekomme ich das nicht, dann ist das unfair und gemein!“ Moralisches Empfinden entwickeln Kinder vom Kindergartenalter an, indem vor allem die Eltern dies vorleben und den Kindern ein positives Modell zeigen, an dem sie sich orientieren, an dem sie sich auch reiben können. Und wer Kinder zu Dankbarkeit und Sensibilität in den ersten Lebensjahren ermutigen will, tut gut daran, weniger auf die Kraft seiner Worte als auf die Überzeugungskraft seines Handelns zu vertrauen. Wenn Kinder bis zum Schulkindalter erfahren, wie die Eltern ihnen ein positives Modell vorleben, werden sie sich in aller Regel später daran orientieren.